Freier Finanzberater werden: Norman Schlehr im Interview

Artikel aktualisiert am 05.05.2021

Der Bereich Finanzen bietet viele interessante Zukunftsaussichten für junge Bewerber. Falls du deine berufliche Zukunft in dieser Branche siehst, so musst du dich gut über die unterschiedlichen Berufe informieren. Der freie Finanzberater ist einer dieser Berufe. Was genau ein freier Finanzberater macht und tut, erklärt uns Finanzexperte Norman Schlehr

karrierekebap.de: Hallo Norman, bitte stelle dich unseren Lesern kurz vor.

Norman Schlehr: Gerne, ich freue mich auf das Interview. Im September 1984 in Norddeutschland geboren war ich zunächst in verschiedenen, unter anderem leitenden Positionen im Handel und der Finanzbuchhaltung tätig. Nach Feierabend bildete ich mich zum Betriebswirt fort und legte bei der IHK meine Prüfungen zum Versicherungs- und Finanzanlagenfachmann ab. Vor rund fünf Jahren bin ich dann mit Geschäftspartnern den Beweis angetreten, dass eine Beratung anders geht, als sie im Alltag oft stattfindet – wertebewusst, mit einer klaren Haltung, gesellschaftsungebunden und investmentbasiert. Abseits des Arbeitsalltags treibe ich gerne Sport, bis vor einigen Jahren aktiv im Kanusport auf Wettkampfbasis. Wenn es die Zeit erlaubt, sind das Reisen und der Fußball zwei weitere meiner Leidenschaften.

karrierekebap.de: Bevor du deinen Beruf näher erläuterst, würde mich brennend interessieren, was eigentlich der Unterschied zwischen einem normalen und einem freien Finanzberater ist?

Norman Schlehr: Danke dir für diese wichtige Frage zu Beginn. In den meisten Fällen hat jede langlebige Investmentgesellschaft, jeder Vermögensverwalter, jedes Versicherungsunternehmen, jede Banken und jeder Immobilienfinanzierer seine Daseinsberechtigung, zumindest für seine Produktsparte, sonst wären sie nicht am Markt. Der Bereich Finanzdienstleistung ist sehr umfassend. Dementsprechend können auch unterschiedliche Spezialisierungen der Tätigkeit, von der IHK zertifiziert, vorgenommen werden. Die freie Beratung grenzt sich gegenüber der gesellschaftsabhängigen Beratung maßgeblich durch die Fokussierung auf den Kundenmehrwert sowie die rechtliche Unterscheidung gemäß Handelsgesetz ab.

Ein freier Finanzberater hat immer die Möglichkeit zusammen mit seinem Klienten ein individuelles Angebot zu kreieren, welches den Klienten unterstützt seine Ziele sehr oft besser zu erreichen als mit einem gesellschaftsgebundenen Angebot. Denn freie Berater vergleichen mit hohen Standards den gesamten Markt real und verfügen über eine qualitative Infrastruktur für ihre Beratungs- und Produktqualität. Die Idee der ungebundenen Beratung in den wichtigsten Finanzfragen ist nicht neu. In den meisten anderen Industrieländern ist sie Alltag. Ein von Produktherstellern geprägter Markt ist größtenteils nur in Deutschland traditionell gewachsen.

karrierekebap.de: Ein bisschen Mathe, etwas Kommunikationsfähigkeit und ein seriöses Erscheinungsbild!? Welcher Hintergrund und welche Soft Skills sind in der Finanzbranche gerne gesehen?

Norman Schlehr:  In den genannten Punkten gebe ich dir vollkommen Recht. Grundsätzlich sind viele Fähigkeiten erlernbar. Im Optimalfall entwickelt man sich unter wirklich guten Mentoren Tag für Tag – auf fachlichem, beruflichem und persönlichem Level.

Wenn ich auf meine letzten Jahre Berufserfahrung zurückschaue, würde ich noch Wissenshunger, Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen und langfristige Denk-/ Arbeitsweise ergänzen. Für die Branche zwar längst noch kein Alltag, allerdings finde ich eine Prise Affinität für Social-Media-Marketing und IT-Kenntnisse im Zeitalter der Digitalisierung vorteilhaft. Als freier Finanzberater ist man trotz dieser zunehmenden Digitalisierung in einem „People-Business“ tätig, da gehört neben der Sprache auch ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit seinen Mitmenschen ebenfalls dazu.

Persönlich finde ich Bodenständigkeit wichtig. Diese kannst du beispielsweise dadurch herausfinden, ob der Berater selber in seine eigenen Produkte investiert, und auch, ob er nach einer gewissen Zeit im Job reale Vermögenswerte schafft. Damit meine ich nicht den Leasingwagen oder eine Villa, die man in einem Leben gar nicht abzahlen kann. Ich denke an den Aufbau von realen Vermögenswerten wie Aktien, Firmenbeteiligungen, Immobilien und Investmentfonds. Persönlich favorisiere ich für mich die letzten beiden Anlageklassen. Aber jeder Mensch ist bekannterweise verschieden.

karrierekebap.de: Ausbildung, Studium oder Quereinstieg – welche  Möglichkeiten gibt es und welchen Weg hast du gewählt?

Norman Schlehr: Es gibt in der Tat verschiedene Wege, um in diesem Teil der Finanzwelt den Eintritt zu schaffen. Die naheliegendste Möglichkeit ist es, bereits eine Ausbildung oder ein Studium im Finanzbereich abgeschlossen zu haben, Beispiel Bankkauf-, Versicherungskaufleute oder Immobilienfinanzierer. Hat man dies nicht und möchte trotzdem in diesem Bereich arbeiten, ist dies noch kein Grund zur Sorge. Oft bieten Unternehmen Traineelehrgänge zum Einstieg an. Als Quereinsteiger sind neben oder nach dem Studium wirtschaftliche und juristische Studiengänge oft gerne gesehen, da diese bereits erstes Hintergrundwissen vermitteln und sich die Arbeit optimal mit dem Studium verknüpfen lässt. Junge Menschen mit einer kaufmännischen Ausbildung können durch die Weiterbildungen im Finanzsektor wertvolles Wissen erlernen, und ihr Berufsbild sehr hochwertig ausbauen. Da der Beruf des unabhängigen Finanzberaters viele unterschiedliche Bereiche abdeckt, sprechen wir nicht von einem Abschluss – eher von zwei. Wenn man sich zusätzlich auf Immobilienfinanzierung oder Firmenkunden spezialisiert, kommt je noch ein weiterer dazu.

Persönlich sammelte ich meine ersten Jahre Berufserfahrungen im Groß- und Baustoffhandel. Dort eignete ich mir viele Fähigkeiten an und übte diese auch in unterschiedlichen Positionen, mit und ohne Personalverantwortung, aus. Nach Feierabend bildete ich mich betriebswirtschaftlich fort, erreichte dort auch meine Abschlüsse und war der Meinung, dass dies nun der Schlüssel für mein Leben sei. Ich hatte schon immer ein großes Interesse an finanzieller Bildung, Investment und Immobilien. Diese Themen haben mich gepackt. Mit Versicherungen und deren oft verstaubtem Image, konnte ich, zu diesem Zeitpunkt herzlich wenig anfangen. Zeitgleich erfuhr jemand aus meinem engsten Familienkreis eine Bankberatung, bei der wohl bewusst sehr viel Geld verbrannt wurde und die Ziele dieser Filialbank erheblich über die Realisierung der Kundenwünsche gestellt wurden. Heute bin ich schon fast dankbar für diese Begebenheit. Nur dadurch konnte ich den Willen und die Verantwortung entwickeln es besser zu machen. Nur wie dies tun? Ich schaute bei unterschiedlichen Finanzunternehmen hinter die Vorhänge und erarbeitete mir einen gewissen Fragenkatalog, der immer größer wurde und quasi jedes Mal abgefragt wurde. Dann bekam ich die Möglichkeit neben meiner Anstellung als Kaufmann eine Traineestelle und später Partnerschaft bei einer Freien Beratungsgesellschaft aufzunehmen. Auf diesem Weg legte ich meine Prüfungen zum Versicherungsfachmann und danach zum Finanzanlagenfachmann bei der IHK Hannover erfolgreich ab.

karrierekebap.de: Wie kann man sich einen typischen Arbeitstag eines freien Finanzberaters vorstellen?

Norman Schlehr: Sehr abwechslungsreich und lebendig, trotzdem strukturiert. Irgendetwas Neues gibt es jeden Tag. Deshalb ist der „typische“ Arbeitsalltag schwer zu beschreiben. Es gibt natürlich Aufgaben, die in dieser Tätigkeit immer wieder auftauchen. Das können zum Beispiel die Vorbereitungen eines Kundentermins, das Ausarbeiten von Lösungsvorschlägen oder der Ordner-Checkup sein, vor allem aber dem Kunden individuell persönlich oder am Telefon mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Darüber hinaus können auch der Besuch von Fortbildungen und das Halten von eigenen Workshops sowie Meetings hin und wieder Teil des Arbeitsalltages sein. Wenn dann über die Jahre der Kundenstamm wächst, ist es sinnvoll ein paar Minuten monatlich für das Erstellen von Reportings und Auswertungen zu investieren. Das Ergebnis wäre dann eine bessere Betreuungs- und Servicequalität.

karrierekebap.de: Mit welchen Herausforderungen musstest du am Anfang deiner beruflichen Karriere kämpfen?

Norman Schlehr: Grundsätzlich wächst und entwickelt man sich mit jeder Herausforderung. Klar hatte ich diese auch, du kannst sie direkt und indirekt mit meinem Lebenslauf verbinden. Zu Beginn der Tätigkeit lernt man sehr viel und möchte diese Themen auch schnell umsetzen. In Folge kommen dann die IHK Prüfungen dazu. Ich habe immer sehr viel Freude an neuen und hohen Herausforderungen, deshalb habe ich sie eher als Ansporn statt als Hürde angesehen und dies kann ich echt nur jedem jungen Partner raten. Es gibt ein schönes Zitat das lautet:

„Immer wenn es schwer wird und du daran denkst aufzugeben, denke immer daran wieso du einmal angefangen hast.“

Seit einiger Zeit denke ich, dass mein damals größtes Problem zu Beginn die eigene Fokussierung war. Natürlich, ein neues Auto oder eine tolle Reise sind nette Zwischenziele. Für mich allerdings nicht unbedingt erstrebenswert. Ich verfügte immer über ein hohes Maß an Eigenmotivation, die mich auch voranbrachte. Nur das richtig große Ziel, die große Vision, blieb lange aus. Um das wahre Ziel oder die wahre Passion zu finden gehört mehr dazu, als ein Einfall über Nacht. Hat man sie gefunden, geht allerdings alles viel leichter.

Eine weitere Herausforderung: leider meine damaligen IT-Kenntnisse! Das oberste Ziel muss es sein, einen spürbaren Mehrwert für den Kunden zu schaffen. Bis vor einigen Jahren hatte ich zum Beispiel wenige Kenntnisse von Social-Media-Marketing oder Webseitenprogrammierung. Diese Herausforderung habe ich mit einem meiner besten Freunde angenommen und zusätzlich eine Plattform aufgebaut, die heute nützliche Tipps und hohen Content aus dem Bereich der finanziellen Bildung vermittelt, um dadurch die Dienstleistung zu erweitern und auf ein nächstes digitales Level zu heben.

karrierekebap.de: Abschließend würde ich gerne wissen, welches Potenzial du im Bereich Finanzen für Bewerber mit Migrationshintergrund siehst?

Norman Schlehr: Ein sehr Hohes. Wir leben in einer Zeit mit dauerhaftem Niedrigzinsniveau, aufklaffenden Defizienten in den  Sozialsystemen und einem hohen Druck der Werbung seitens der Produkthersteller. Dadurch benötigt der Großteil der deutschen Bevölkerung eine hoch ausgebildete Fachkraft an seiner Seite, die unabhängig agieren kann. Darin liegen unglaubliche berufliche Chancen. Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft und dies kann auch für die Arbeitswelt gelten. Unterschiedliche Talente und kulturelle Blickwinkel können selbstverständlich eine Bereicherung sein. Oft leben Familien bereits in dritter Generation in Deutschland und sind hier ebenfalls tief verwurzelt. Unsere dynamischen Teams an den unterschiedlichen Standorten und die wöchentlich eintreffenden Bewerbungen sind gute Beispiele dafür, dass ein konstruktives Miteinander und freudiges Arbeitsklima in einem „Teammix“ funktionieren kann. Somit wird auch die deutsche Bevölkerung passend dargestellt und vertreten. Heutzutage sind junge Damen und Herren zwischen 20 bis 27 Jahren mit Migrationshintergrund nicht unbedingt viel anders, als Mitmenschen ohne diesen Hintergrund. Am wichtigsten ist ja nicht unbedingt die Frage woher man kommt, sondern welchen Charakter man hat und was man im Leben einmal erreichen möchte.

Abschließend liegt mir noch folgendes am Herzen: Es ist kaum möglich alle umfangreichen Themengebiete und Fragen in diesem Artikel zu beantworten. Sollten deine Leser nun die eine oder andere Frage bezüglich einer Karriere als freier Berater in der Finanzdienstleistung haben, stehe ich ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Lieber Mustafa, ich danke dir für dieses interessante Interview.

karrierekebap.de: Danke, dass du dir für unsere Leser Zeit genommen hast.

Über den Interviewpartner: Finanzielle Bildung als Herzensangelegenheit. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und Fortbildung zum Betriebswirt zog es Norman Schlehr in die gesellschaftsunabhängige Finanzberatung. Seine Kernkompetenzen liegen in den Bereichen des Investments und der Versicherung. Über seine Geschäftspartner bildet er auch die Felder Immobilien und deren Finanzierung ab. Zusätzlich zu diesen Geschäftszweigen gründete er die Plattform finanzcoach-hannover, um finanzielle Bildung mehr Menschen öffentlich zu machen.

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