Schiedsrichter werden: Nicolas Winter im Interview

Artikel aktualisiert am 05.05.2021

Viele suchen den Einstieg in die Sportbranche, doch nur wenige schaffen es.  Ob Fußballspieler, Trainer oder Schiedsrichter, keine andere Berufsgruppe steht häufiger im Mittelpunkt.

Gerade Schiedsrichter brauchen starke Nerven und eine dicke Haut. Nicolas ist einer von ihnen und beantwortet uns einige Fragen zur Schiedsrichterlaufbahn. Wolltest du schon immer Schiedsrichter werden? Dann solltest du Nicolas Antworten gut analysieren…

karrierekebap.de: Wer ist Nicolas Winter?

Nicolas Winter: Eine sportbegeisterte Person, die sich sehr für die Zusammenhänge zwischen Sport und Gesellschaft interessiert. Jederzeit offen für neues möchte ich mich stetig weiterentwickeln, um Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit zu finden. Daher studiere ich aktuell Sportbusinessmanagement, um ein Experte auf dem Gebiet meiner Leidenschaft zu werden und darüber hinaus gesellschaftspolitische Aspekte besser verstehen zu können.

karrierekebap.de: Wie wird man Schiedsrichter?

Nicolas Winter: Das Schöne an dieser Tätigkeit ist, dass jeder Schiedsrichter werden kann! Hierzu muss man nicht zwingend Fußball gespielt haben, wenngleich es sicherlich von Vorteil sein kann, bereits selbst zu wissen, wie sich ein Zweikampf anfühlt.  Die Qualifikationen hierzu werden im sogenannten „Anwärterlehrgang“ vermittelt, der meist ein Wochenende (3 Tage) andauert. Zentral wird dieser an der verbandseigenen Sportschule durchgeführt. Mittlerweile gibt es aber auch dezentrale Ausbildungslehrgänge zum Beispiel an Schulen. In Rheinland-Pfalz gibt es außerdem ein Projekt, an dem Häftlinge der Jugendvollzugsanstalt Schifferstadt zu Schiedsrichtern ausgebildet werden. Sie erlernen hierbei Fähigkeiten rund um einen respektvollen Umgang miteinander, welche sie auf Ihrem weiteren Lebensweg begleiten werden. Den erfolgreichen Abschluss des Anwärterlehrgangs bildet eine Prüfung bestehend aus einem Regeltest. Eine praktische Laufprüfung gibt es zunächst nicht. Diese wird es in der weiteren Schiedsrichterlaufbahn dann jedoch regelmäßig geben. Spätestens, wenn es um den Aufstieg in eine höhere Liga geht!

karrierekebap.de: Was hat dich dazu bewegt Schiedsrichter zu werden?

Nicolas Winter: Seit meinem 4. Lebensjahr habe ich selbst aktiv Fußball gespielt und tue es auch heute noch. Zwar nicht mehr aktiv im Verein, aber mit meinen Kumpels unter der Woche. Fußball war schon früh meine große Leidenschaft, wenngleich ich immer einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit hatte. Daher wollte ich selbst dazu beitragen, durch eine gerechte Spielführung das Spiel besser zu machen. Ich wollte Verantwortung übernehmen und mich nicht aus Verärgerung über die eigene Leistung als Spieler über den Schiedsrichter aufregen. Als ich dann 14 Jahre alt war, habe ich mich bei einem Schiedsrichterlehrgang angemeldet und habe schnell verstanden, dass hinter dieser Materie weit mehr steckt, als nur ein Spiel zu pfeifen. Dies betrifft speziell den Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Heute kann ich sagen: Schiedsrichter zu werden war das beste, was mir hätte passieren können.

karrierekebap.de: Wie bereitest du dich auf eine Partie vor?

Nicolas Winter: Zunächst einmal sei angemerkt, dass ich mich über diese Frage sehr freue! Denn die Vorbereitung ist eines der wichtigsten Elemente rund um eine gelungene Spielleitung.  Leider wird ihr in der Praxis (und nicht nur als Schiedsrichter) immer noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ich bin davon überzeugt, wer gut vorbereitet ist, wird auch gut sein! Daher ist es generell einmal wichtig sich vorzubereiten. Dies hängt natürlich sehr von der jeweiligen Liga ab, in der ein Schiedsrichter zum Einsatz kommt. So stehen in den Bundesligen andere Möglichkeiten zur Verfügung, als bspw. in den Amateurligen. Zu Beginn meiner Laufbahn habe ich mir daher die letzten Ergebnisse der Mannschaften sowie die Tabellenkonstellation im Internet angeschaut. So konnte ich sehen, ob etwas passiert ist, worauf ich mich eventuell einstellen muss. Heute schaue ich mir die vergangenen Spiele der beiden Mannschaften auf Video an. Der DFB stellt uns hierfür ein Portal zur Verfügung, woraus wir alle notwendigen Informationen beziehen können. So kann ich mich spezifisch auf eine Partie vorbereiten. Wichtig hierbei ist noch, dass es nicht darum geht in gewissen Situationen voreingenommen zu sein. Viel mehr hilft, dass bereits Gesehene sich für zukünftige Ereignisse mental vorzubereiten!

Selbstverständlich gehört neben der theoretischen Vorbereitung auch die eigene sportliche Aktivität dazu. Heute ist es wichtiger denn je körperlich fit zu sein, um den Anforderungen des Spiels gerecht werden zu können. Ein Schiedsrichter der Bundesliga läuft ca. 12 Kilometer pro Spiel und liegt damit mindestens gleich auf mit einem Spieler! Außerdem wirkt sich die körperliche Verfassung auch unmittelbar auf die Entscheidungsqualität aus. Ein Schiedsrichter, der nicht fit ist, kann auch nicht aus einer guten Position heraus entscheiden. Daher passe ich meinen Trainingsplan immer an meine jeweiligen Spieleinsätze an. Dieser besteht aus verschiedenen Arten des Lauftrainings, Intervalltraining, Kräftigungsübungen, Mobilisation und Regeneration sowie der Basis einer gesunden Ernährung!

karrierekebap.de: Welche Stärken sind für einen Schiedsrichter enorm wichtig?

Nicolas Winter: Ein Schiedsrichter sollte ein gesundes Maß an Selbstvertrauen haben und mutig sein, um auch unpopuläre Entscheidungen im Zweifel durchsetzen zu können. Gleichzeitig ist es von enormer Bedeutung, dass man sich als Schiedsrichter reflektieren kann und seine eigene Spielleitung kritisch analysiert. Diese Eigenschaft ist übrigens nicht nur zentral für einen Schiedsrichter, sondern für alle Bereiche des Lebens, wenn man sich weiterentwickeln möchte. Die zentrale Eigenschaft eines Schiedsrichters ist für mich die „Berechenbarkeit“. Jeder Spieler, Trainer oder Zuschauer steht in einem Verhältnis zum Schiedsrichter auf dem Feld und hat gewisse Erwartungen. Diesen Erwartungen wird ein Schiedsrichter dann gerecht, wenn er berechenbar ist und bleibt und in seinem gesamten Auftreten inklusive aller Entscheidungen eine klare Linie verfolgt.

karrierekebap.de: Ab wann kann man als Schiedsrichter in der 1.Bundesliga pfeifen?

Nicolas Winter: In Deutschland gibt es aktuell über 70.000 Schiedsrichter. Davon pfeifen 24 in der 1. Bundesliga. Jeder von ihnen hat eine ganz individuelle Laufbahn hinter sich. Sicher ist jedoch, dass jeder von ihnen auch einmal klein angefangen hat und sich über den Jugendbereich zu den ersten Aktivenspielen vorgearbeitet hat. Sobald man diesen Sprung geschafft hat, ist es theoretisch möglich jede Saison eine weitere Stufe bzw. Liga aufzusteigen. Hier sollte jedoch erwähnt sein, dass es auf den individuellen Fortschritt eines einzelnen Schiedsrichters ankommt, wann der Schritt in die nächst höhere Liga sinnvoll ist. Ich persönlich habe mich nach der Oberliga über die Jugendbundesliga für die Regionalliga qualifiziert, bevor ich den Sprung in die 3. Liga geschafft habe und seitdem auch als Assistent und 4. Offizieller in der 2. Bundesliga im Einsatz bin.

karrierekebap.de: Deniz Aytekin hat gezeigt, dass ein türkischer Background kein Hindernis sein muss. Was können junge Schiedsrichter mit Migrationshintergrund von Aytekin lernen?

Nicolas Winter: Deniz Aytekin ist einer der absoluten Spitzenschiedsrichter in Deutschland und darüber hinaus erfolgreicher Unternehmer. Besonders die Art und Weise wie er Spiele leitet ist ganz speziell. Durch seine Kommunikation schafft er es jedes Spiel in Deutschland unaufgeregt und sicher zu leiten. Nicht zuletzt das DFB-Pokalfinale 2017 zwischen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt hat er sehr souverän über die Bühne gebracht. Er ist damit ein Paradebeispiel für junge Schiedsrichter mit Migrationshintergrund, dass es nicht auf die Herkunft ankommt, um seine Ziele zu erreichen! Mit Mut, Wille, Durchhaltevermögen und entsprechendem Ehrgeiz, kann jeder alles erreichen. So wie Deniz Aytekin!

karrierekebap.de: Wo werden wir dich in den nächsten 5 Jahren sehen :)?

Nicolas Winter: Ich fühle mich sehr wohl auf dem Platz als Schiedsrichter und konnte jetzt meine ersten Erfahrungen im Profibereich sammeln. So war und ist es kurzfristig mein Ziel gewesen mich im DFB-Bereich zu etablieren. Aktuell lerne ich sehr viel dazu und dafür bin ich sehr dankbar. Diese Erfahrungen möchte ich nutzen, um mich weiterzuentwickeln und mein großes Ziel die 1. Bundesliga zu erreichen!

karrierekebap.de: Danke.

Bildnachweise: © SKY Deutschland / Bundesliga

Über den Interviewpartner: Nicolas Winter ist Schiedsrichter beim Deutschen Fußballbund. Er leitet zurzeit Spiele der 3. Bundesliga und ist als Assistent sowie als 4. Offizieller in der 2. Liga im Einsatz

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