Die Schulzeit neigt sich dem Ende. Du freust Dich, dass Du es bald hinter Dir hast. Doch etwas bedrückt Dich schon länger. Zu Anfang wurde es nur verdrängt. Und jetzt nimmt es immer mehr Form an: Die Frage nach dem richtigen Beruf. Ist die Berufswahl eine Entscheidung fürs Leben oder nur eine weitere Etappe auf Deinem Weg?
Mein Vater: „Lern irgendwas mit Computern, das ist die Zukunft“
Der Nachbarsjunge hing in seinem Garten einen Ärztekittel über die Wäscheleine. Da fing mein Baba gleich wieder an mit seiner Moralpredigt: „Siehst Du, andere Kinder werden zu Ärzten und was wird aus Dir?“. Ihm war es dabei egal, dass unser damaliger Nachbar ein Praktikum im Gesundheitswesen machte.
Ein passendes Tätigkeitsfeld hatte er für mich auch gefunden. Irgendetwas mit Computer, weil in der Zukunft alle Computer benutzen werden. Hattest Du auch „Visionär“ Eltern? Oder wollten sie, dass Du das Familienunternehmen oder Ähnliches fortführst? Das Kommentarfeld freut sich auf Deine Story.
Jedenfalls führten meine Eltern jahrelang einen eigenen Kiosk. Mein verstorbener Opa hatte damals ein Restaurant und ebenfalls einen Kiosk. Mein Onkel ist immer noch in der Gastronomie tätig. Doch ich hatte kein Interesse im Kiosk zu arbeiten oder in irgendeinem Bereich an der Kasse zu stehen. Die Kasse hatte mir immer Angst gemacht – Keine Ahnung warum :)
Leider wurde mir früh das Gefühl vermittelt, dass ich mit meinem Status, Hintergrund und Schulnoten die eigenen Träume auf ein Minimum reduzieren muss. Aus diesem Grund habe ich mich immer mit kleinen Dingen zufriedengegeben.
Diese Denkweise ist allerdings falsch und hat viele kostbare Jahre meines Lebens verschlungen. Wenn Du etwas erreichen willst, kann Dich Deine soziale Schicht, Dein Migrationshintergrund, Deine Familie, Deine Schulnoten oder Dein Schulabschluss nicht aufhalten!
Die Berufswahl ist keine Entscheidung fürs Leben
Früher war es üblich einen Beruf zu lernen und es bis zur Rente auszuüben. Mein bester Freund zum Beispiel hatte bei einem Autohersteller eine Lehre angefangen und ist noch heute dort beschäftigt. Vermutlich bleibt er sein ganzes Leben dort. Ähnlich ist es auch bei meinem Schwager. Der Vater fing in der Stahlindustrie an und der Sohn folgte ihm nach.
Es ist auch nicht falsch, so einen Weg zu gehen. Allerdings solltest Du wissen, dass sich die Zeiten in der Berufswelt geändert haben. Es können sich auch Vorteile ergeben, wenn man einen Einblick in unterschiedliche Branchen bekommt. Ich lernte in der Ausbildung zum Beispiel die Programme Photoshop, Indesign und Illustrator zu benutzen, das ich nach Jahren in einem sechsmonatigen Praktikum bei einer Agentur einsetzen konnte. Diese Fähigkeiten öffneten mir weitere Türen. Heute gehöre ich nicht zu den Zahnrädern, die man nach Belieben auswechseln kann.
Wie konnte wohl dieser Blog entstehen? Sicherlich nicht ohne den vielen Erfahrungen, die ich bei verschiedenen Arbeitgebern sammeln durfte.
Glaubst Du, ich konnte schon immer gut schreiben? Nein Mehmet, Nein Ayse, Nein Ali, Nein Meryem. Mir wurde davon abgeraten. Mich hat man gefragt, ob ich eine Lese-Rechtschreib-Schwäche habe. Mir wurde gesagt, dass aus mir kein Poet wird. Aber hat mich das aufgehalten? Nein! Den ein Mensch ist in der Lage zu lernen und sich zu verbessern.
Die eigentliche Frage, warum Du diesen Artikel liest, ist Deine Entscheidungsangst. Die Angst etwas Falsches zu wählen. Die Angst, etwas zu wählen, was Du Dir nicht zutraust. Die Angst, etwas zu wählen, was Dein Umfeld nicht verstehen wird. Viel Schlimmer wäre es, wenn Du überhaupt keinen Plan hast. Aber auch hierfür gibt es Lösungen.
Berufsorientierung: Wofür brennst Du?
Nichts ist schlimmer als etwas auszuüben, das Dich nur langweilt und unglücklich macht. Klar, Geld ist wichtig, doch nicht wichtiger als Deine seelische Gesundheit. Deshalb gilt es herauszufinden, wofür Du brennst. Fang mit der Spurensuche direkt in der Schule an.
Für welche Themen oder Fächer hast Du Dich immer besonders begeistert? Meine Lieblingsfächer waren Geschichte, Erdkunde, Werte und Normen, Musik und Sport. Naturwissenschaften haben mich noch nie richtig begeistert. Mir war klar, dass ich im Beruf nichts mit dem Satz des Pythagoras oder mit irgendwelchen linearen Funktionen zu tun haben möchte.
Zu wissen, was man überhaupt nicht mag, ist auch eine wertvolle Erfahrung. Somit können bestimmte Berufsrichtungen aussortiert und eingegrenzt werden.
Wenn Du Dir ausreichend Gedanken gemacht hast, können Deine Freizeitaktivitäten folgen. Welche Aktivitäten übst Du regelmäßig aus? Zockst Du nur Fortnite? Oder triffst Du Dich in der realen Welt mit Freunden? Sammel Deine Gedanken und leg los.
Folgende Fragen können Dich bei Deiner Suche nach der richtigen Berufswahl unterstützen:
- Wo liegen Deine Stärken und Schwächen?
- Arbeitest Du gerne mit Menschen zusammen?
- In welcher Umgebung möchtest Du arbeiten?
- Sollen Deine Eltern in der Nähe wohnen?
- Möchtest Du für Deine Ausbildung umziehen?
- Kannst Du gut mit Stress umgehen?
- Möchtest Du geregelte Arbeitszeiten?
- Wie wichtig ist Dir Dein Verdienst?
Diverse Berufswahltests
Ein Berufswahltest ist eine weitere Möglichkeit zur Berufsorientierung. Es kann Dir dabei helfen, Deine Stärken und Kompetenzen besser einzuschätzen. Dabei klickst Du Dich durch unterschiedliche Fragen durch. Hierzu habe ich Dir eine kleine Liste mit unterschiedlichen Websites zusammengestellt. Teste und vergleiche die Ergebnisse. Die Tests sollten alle ohne einen registrierten Account durchführbar sein.
- Berufstest von einstieg.com
- Berufstest von der Agentur für Arbeit
- Berufstest von ausbildungspark.com
- Berufstest von aubi-plus.de
Karriere-/Jobmessen besuchen
Falls Du zu den faulen Zeitgenossen gehörst, beweg Dein Arsch! Auf Jobmessen triffst Du direkte Ansprechpartner von Firmen. Vielleicht auch von Deiner Traumfirma. Somit kann ein erster Kontakt aufgebaut werden. In Deiner Bewerbung kannst Du Dich später auf dieses erste Gespräch in der Betreffzeile beziehen.
Bei vielen Jobmessen werden auch kostenlose Bewerbungsfotos gemacht oder eine Studien- bzw. Berufsberatung angeboten.
Als ich damals auf so einer Messe war, wurde ein kostenloser Sehtest von einem bekannten Optiker angeboten. Nachdem ich meine Augen testen gelassen habe, hatte mich ein Mitarbeiter regelrecht angefleht, dass ich mich für eine Ausbildung als Optiker bewerben soll.
Über jobmessen.de kannst Du schauen, wann in Deiner Nähe ein Event stattfindet. Ich hatte damals die Veranstaltung in Hannover besucht.
Praktika: In verschiedene Bereiche reinschnuppern
Die Berufserfahrung ist das Dönerfleisch im Brot, ohne die Hauptzutat schmeckst Du den Unternehmen nicht. Wer möchte einen Mediengestalter, der noch nie in einer Agentur etwas gestaltet hat? Niemand! In der Arbeitswelt gibt es kein Sozialamt. Jeder denkt wirtschaftlich. Jeder denkt in Zahlen.
Warum mache ich darauf aufmerksam? Weil ich nach einer schulischen Ausbildung mit dieser Problematik zu tun hatte. Das Ende vom Lied war, dass ich durch ein sechsmonatiges Praktikum den Einstieg ins Berufsleben geschafft habe.
Bei Ausbildungssuchenden ist es etwas lockerer. Im Idealfall hast Du als Schüler bereits ein Praktikum in einem Unternehmen durchgeführt. Wie hat es Dir gefallen? Kannst Du Dir vorstellen in Zukunft in diesem Bereich zu arbeiten? Auch hier gilt wie in den Schulfächern – Wenn Du durch ein Praktikum etwas entdeckst, was Dir gar nicht liegt, dann freu Dich, dass Du etwas ausschließen kannst.
Es gibt viele, die ein Praktikum langweilig finden. Manche fühlen sich auch ausgenutzt. Andere nennen sie auch Billigkräfte. Lass Dich davon nicht beeinflussen. Du machst diese Erfahrung für Dich!
Berufswahl: Wofür entscheidest Du Dich?
Du siehst, in vielen Bereichen können wir auf Spurensuche gehen. Jetzt liegt es an Dir. Weißt Du bereits was Du werden willst? Oder hindert Dich etwas Bestimmtes? Schreib es gerne in die Kommentare.
Persönlich arbeite ich in meinem vierten Beruf. Ich war Oberstudienrätin, Wissenschaftlerin, Chefin eines Systemhauses und nun bin ich Heilpraktikerin. Habe ich keinen Spaß mehr an meiner Arbeit, beginne ich neu.
Alles Liebe
Annette
Hallo,
ein sehr guter Artikel der endlich mal anders ist. Der niemand zwingt in eine Schublade zu gehen, sondern sich seine eigene nimmt. Messen finde ich gut, ich war auf einer auch wenn ich früh wusste was ich wollte. Aber man sollte sich alles genau anschauen bevor man entscheidet.
Liebe Grüße
Julia
Lieber Mustafa,
Ich finde es so toll, wie du verschiedene Dinge ansprichst. Früher haben die Eltern viel entschieden und auch heute ist der Einfluss noch groß. Ich glaube, man muss sich wirklich bewusst machen, dass man erstens im Laufr des Lebens viel erreichen kann und zweitens die Berufswahl keine für immer ist, sondern man immer noch den Job und Beruf wechseln kann. Ich studiere nach rund 15 Jahren in meinem Job nun wieder (als Arbeiterkind) und bereite damit einen Wechsel vor.
Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap
Lieber Mustafa,
die Frage nach dem “richtigen” Beruf ist wirklich eine ungemein schwierige. Toll, dass du das Thema so ausführlich aufgreifst.
Besonders wichtig finde ich, dass man ungeachtet des sozialen Hintergrundes vieles erreichen kann, wenn man will. Und, dass man sich (mehrfach) umentscheiden kann.
Herzliche Grüße
Anja
Lieber Mustafa,
ich kann mich noch gut erinnern als ich jung war und vor der schweren Entscheidung stand, was ich mal “werden” will. Heute habe ich erkannt, dass unser Weg nicht in Stein gemeißelt ist und es immer möglich ist sich neu zu orientieren. Deinen Artikel finde ich super, denn er macht Mut an sich selbst zu glauben und den Weg für sich zu finden, der einen persönlichen glücklich macht.
Liebe Grüße
Mo
Huhu,
Die Wahl den geeigneten Beruf zu finden ist wirklich schwer, daher finde ich den Beitrag enorm wichtig und klasse geschrieben!
Man muss sich ausprobieren, darf nicht aufgeben und sollte versuchen seine Interessen zu verwirklichen.
LG Steffi
Du hast es auf den Punkt gebracht, tue nichts, was dich langweilt und dich unglücklich macht! Meine Eltern waren keine Visionäre, sie wollten mich nach der Schule nur so schnell wie möglich in eine Ausbildung stecken, damit ich “Geld verdiene”. Über Kontakte landete ich dann im Büro einer Firma – ich fand es furchtbar da und bin so froh, dass ich später doch noch meinen eigenen Weg ging! Man muss tun, was einen glücklich(er) macht! Definitiv!
Liebe Grüße
Jana