Brauchst Du Vorbilder für Deine Entwicklung?

Artikel aktualisiert am 05.05.2021

Bill Gates, Richard Branson, Tony Robins, Gary Vaynerchuck, Gal Gadot, Arianna Huffington oder Sheryl Sandberg… es gibt zahlreiche prominente Menschen, die anderen als Vorbild dienen. Und es gibt noch mehr Ratgeber, Videos und Artikel, in denen die besonderen Eigenschaften dieser Menschen beschrieben, teilweise sogar glorifiziert werden.

Sicher, von erfolgreichen Menschen kann man viel lernen. Doch manch einer könnte angesichts all dieser Beispiele das Gefühl haben, dass ohne Vorbilder gar nichts geht und das man sich unbedingt an jemand orientieren muss.

Das ist dann kein Problem, wenn Du bereits Vorbilder für die verschiedenen Lebensbereiche gefunden hast. Doch was, wenn Du Dir genau damit schwertust? Wenn Du niemand findest, der oder die Dir Orientierung gibt, bist Du dann aufgeschmissen? Brauchst Du zwingend Vorbilder?

Was sind Vorbilder eigentlich?

Um die Frage nach dem Sinn und Zweck von Vorbildern zu beantworten, ist es sinnvoll, erstmal zu klären, was Vorbilder eigentlich sind. Der kleinste gemeinsame Nenner steckt in der Wikipedia-Definition:

Vorbild ist eine Person oder Sache, die als richtungsweisendes und idealisiertes Muster oder Beispiel angesehen wird. Im engeren Sinne ist Vorbild eine Person, mit der ein – meist junger – Mensch sich identifiziert und dessen Verhaltensmuster er nachahmt oder nachzuahmen versucht. Während umgangssprachlich unter „Vorbildern“ meist Personen verstanden werden, die dem Betreffenden oftmals überhaupt nicht nahestehen, weil sie bei ihm hohes Ansehen genießen, beschäftigen Soziologen und Psychologen sich eher mit Rollenmodellen im unmittelbaren sozialen Umfeld (Eltern, Peergroup), deren Verhalten unbewusst nachgeahmt wird, was allerdings von großer Bedeutung für einen individuellen Entwicklungsprozess sein kann.

Der Begriff Vorbild ist im Grunde also ambivalent und zwiegespalten. Einerseits ist es ein Mensch oder eine Figur, Film- und Comic-Charaktere können auch Vorbilder sein, die erstrebens- und nachahmenswert sind. Andererseits sind diese Menschen und Charaktere gefühlt oft weit von uns entfernt.

Gute Vorbilder sind meist sogar noch widersprüchlicher. Denn sie…

  • … vereinen Fähigkeiten und Eigenschaften, die wir toll finden und die wir ebenfalls erreichen wollen.
  • … zeigen Verhalten, das wir nachahmen wollen.
  • … können eine Vorlage für unser eigenes Verhalten und unsere Entwicklung und Entscheidungen sein.
  • … werden von uns oft so ideal wahrgenommen, dass wir, obwohl wir ihnen nacheifern, fast sicher sind, nie an sie heranzukommen.
  • … werden manchmal verklärt und überhöht und in unserer Wahrnehmung als perfekt angesehen, obwohl sie das keineswegs sind.

Um die Frage über diesem Abschnitt zu beantworten:

Vorbilder sind Menschen oder Charaktere, denen wir nacheifern, die uns Orientierung und Richtung geben und an denen wir, meistens, aufschauen.

Wann Vorbilder zur Gefahr werden

So hilfreich und sinnvoll Vorbilder sein können, so gefährlich können sie auch werden. Damit meine ich nicht nur die Wahl falscher Vorbilder mit fragwürdigen oder unmoralischen Verhaltensweisen. Diese lassen sich oft recht klar und schnell erkennen.

Wirklich gefährlich können Vorbilder dann sein, wenn sie gut sind und auch als Vorbilder empfohlen werden. Die Gefahr liegt dann nicht in ihrem Verhalten, das ist ja nachahmenswert und vorbildlich, sondern in der naiven und unreflektierten Nachahmung.

Lass mich das an zwei Beispielen erklären:

The Rock: Ein Vorbild mit Risiken

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Der Schauspieler Dwayne The Rock Johnson ist den meisten LeserInnen hier vermutlich ein Begriff. Er hat seine Karriere im Wrestling begonnen und ist in den letzten Jahren in zahlreichen Filmen aufgetreten. Er wird, sowohl im Hinblick auf seine sportliche Leistung als auch auf seinen Erfolg und seinen Lebenswandel, gerne als Vorbild herangezogen.

Das hat gute Gründe, denn The Rock setzt sich nicht nur für Charities ein, sondern hat beispielsweise auch die Scheidung mit seiner Ex-Frau gütlich geregelt und sorgt zusammen mit ihr für die gemeinsame Tochter. Ein vorbildliches Verhalten.

Das Problem beginnt, wenn (junge) Menschen sein Verhalten eins zu eins nachahmen. The Rock steht sehr früh auf, trainiert hart und arbeitet sehr viel. In zahlreichen Interviews beschreibt er seinen sehr disziplinierten Lebensstil. So mancher versucht ihn nachzuahmen, ohne dabei zu realisieren, dass ihm oder ihr dafür die Voraussetzungen fehlen. Ohne Personal Trainer, Assistenten, genug Geld und mit anderen Zielen führt der Ansatz von The Rock in die Überlastung und ist eine Sackgasse.

Sheryl Sandberg: Erfolgreiches Vorbild mit Tücken


Als zweites Beispiel werfen wir einen Blick auf Sheryl Sandberg ist seit 2008 Geschäftsführerin (COO) von Facebook. Sie ist für viele Frauen ein Vorbild in Sachen beruflicher Erfolg und setzt sich beispielsweise mit ihrer Plattform Lean in Circles für die Unterstützung von Frauen im Beruf ein.

Ihr Verhalten und ihr Engagement sind in vielerlei Hinsicht vorbildlich. Auch sie beschreibt in Interviews einen sehr disziplinierten Lebenswandel und geht auf harte Entscheidungen ein, die sie für ihre Karriere und ihren Erfolg getroffen hat. Und genau beginnt das Risiko.

Denn wenn Menschen Sandberg als Vorbild nehmen und ihr eins zu eins nacheifern, können sie schnell soziale Kontakte verlieren und ihr Leben rein auf ihre berufliche Karriere ausrichten. Wenn das eine bewusste Entscheidung ist, ist das gut und in Ordnung. Doch viel zu oft rutschen Menschen da einfach hinein, während sie ihrem Vorbild zu genau nacheifern. Die Konsequenzen, verlorene Freundschaften, verkümmernde Beziehungen und Ähnliches, sind nicht immer angenehm.

Modelling und 5 Tipps für die Wahl Deiner Vorbilder

Um auf die Eingangsfrage dieses Artikels zurückzukommen: Nein, ich glaube nicht, dass Du zwingend Vorbilder für Deine Entwicklung und Karriere brauchst. Aus Erfahrung und meiner Arbeit mit Mentees aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und Bereichen weiß ich, dass Menschen auch ohne klare Vorbilder erfolgreich sein und sich wunderbar entwickeln können.

Dennoch halte ich Vorbilder für sinnvoll – wenn Du sie mit Bedacht und ganz bewusst auswählst. Vorbilder sind für mich Werkzeuge, mit denen Du Deine Entwicklung bewusst beeinflussen und gestalten kannst.

Beachte bitte: Ich schreibe bewusst in der Mehrzahl, Vorbilder, und spreche damit von mehreren Menschen oder Charakteren, die Dir Orientierung geben. Wenn Du Dir Vorbilder bewusst heraussuchst, wähle sie bitte so, dass sie zu Deinen Ziele und Deiner Wunschrichtung passen.

Um genau zu sein empfehle ich Dir, Vorbilder für verschiedene Bereich zu wählen und mit der als Modelling bekannten Technik zu arbeiten. Modelling kommt aus dem NLP (Neuro-Linguistig-Programming) einer Technik und Philosophie mit Tücken und Risiken, die ich dir nicht guten Gewissens empfehlen kann. Dafür wird mit NLP zu viel Schindluder getrieben.

Doch eine Technik aus dem NLP, Modelling, kannst Du in Kombination mit Vorbildern nutzen. Modelling bedeutet kurz gesagt:

Du wählst einen Menschen als Vorbild und schaust Dir an, welche seiner oder ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten Dich besonders beeindruckt und für Dich hilfreich ist. Dann analysierst Du diese Fähigkeit, verstehst die Prinzipien und wendest sie für Dich an.

An den beiden oben beschriebenen Beispielen kann das so aussehen:

The Rock ist sehr diszipliniert und macht Sport zur einem festen Bestandteil seines Lebens. Das muss er beruflich auch. Wenn Du davon lernen willst, kann das zugrundeliegende Prinzip sein, einen Fokus auf Deine Gesundheit und Deine Leistungsfähigkeit zu legen. Du musst dann nicht, wie es The Rock oft tut, um 3:30 Uhr aufstehen. Doch Du kannst schauen, dass Du Sport und Gesundheit zu festen Punkten Deines Tages machst und Dich an der Disziplin von The Rock orientierst.

Bei Sheryl Sandberg könnte es die Fähigkeit sein, klare Entscheidungen zu treffen und sich konsequent für ein Ziel zu entscheiden. Du kannst Dir in verschiedenen Interviews mit ihr anschauen, wie Sie das getan und ihre Ziele gesetzt hat. Dann überträgst Du das auf Deine Ziele, legst fest, was Dein Fokus sein soll und überprüfst jede Entscheidung daraufhin, ob sie dem Ziel und dem Fokus dient.

Du siehst, mit Modelling kannst Du Dir für die verschiedenen Bereiche Vorbilder wählen, von denen Du dann lernst und an denen Du Dich, mit Sinn und Verstand, orientierst. Damit das funktioniert, sind sinnvolle und gute Vorbilder natürlich Voraussetzung. Abschließen habe ich daher meine fünf besten Tipps für die Wahl passender Vorbilder für Dich:

  1. Suche nach ähnlichen Zielen. – Vorbilder tun Dir nur dann gut, wenn sie ähnliche Ziele verfolgt oder erreicht haben, wie Du sie anstrebst. Achte daher darauf Menschen und Charaktere zu wählen, mit deren Zielen, vielleicht auf einem anderen Level, Du Dich identifizieren kannst.
  2. Achte auf Ähnlichkeiten. – Vermutlich wirst Du keine Vorbilder mit einer exakt gleichen Lebensgeschichte finden. Doch Du solltest darauf achten Menschen zu nehmen, die zumindest Ähnlichkeiten in Lebenslauf und Herkunft aufweisen. Zu ihnen kannst Du nicht nur einen besseren Bezug finden, sie haben auch ähnliche Voraussetzung und Erfahrung, von denen Du lernen kannst.
  3. Ihre Werte entscheiden über ihren Wert. – Herkunft, Lebenslauf, Ziele – all das ist bei der Wahl von Vorbildern wichtig. Ich selbst lege den größten Wert jedoch auf die Werte der Vorbilder. Wenn jemand ein ähnliches Wertsystem hat wie ich weiß ich, dass ich viel von seiner oder ihrer Erfahrung lernen kann. Wenn jemand jedoch ganz andere Werte verfolgt, kann ich mit seiner Erfahrung vermutlich nicht so viel Anfang.
  4. Ehrlichkeit und Schwächen sind wichtig. – So manche bekannte Persönlichkeit stellt sich selbst gerne im besten Licht dar, hat keine Schwächen und war immer perfekt – zumindest in ihren Erzählungen. Solche Menschen eignen sich nicht als Vorbilder. Gute Vorbilder sind ehrlich, zeigen Schwäche und sprechen offen über Fehler, dunkle Momente und ihren Umgang damit. Davon kannst Du lernen.
  5. Vorbilder können und müssen sich ändern. – Im Lauf der Zeit veränderst Du Dich. Du entwickelst Dich weiter, gehst den nächsten Schritt in Deiner Karriere und Deinem Leben und veränderst damit auch Deine Ziele und Prioritäten. So wie Du Dich änderst dürfen und müssen das auch Deine Vorbilder. Es ist völlig normal, wenn manche Menschen nur einige Monate oder Jahre Vorbild sind, Du irgendwann aber keinen Bezug mehr zu ihnen hast und Dir neue Vorbilder suchst. Sei dafür bitte offen, sieh die Wahl Deiner Vorbilder nicht ideologisch sondern löse Dich von denen, die nicht mehr zu Dir passen.

P.S.: Eine Lese- und Hörtipp zum Schluss. In seinem aktuellen Buch „Tools der Mentoren“ – im englischen „Tribe of Mentors“ – fasst der bekannte Autor Tim Ferriss die besten Tipps und Gewohnheiten erfolgreicher Menschen aus verschiedensten Bereichen zusammen. Er liefert dir im Grunde eine Best-of-Vorlage fürs Modelling.

Das Buch gibt es auf englisch und deutsch bei Amazon (nein, kein Affiliate-Link). Und wenn Du ausgewählte Tipps daraus willst, englisch verstehst und kein Geld ausgeben willst, empfehle ich Dir seinen Tribe-of-Mentors-Podcast. Und der geschätzte Stephan Wiesner hat das Buch aufgegriffen und einen echte guten Artikel dazu geschrieben. Klare Leseempfehlung.

Über den Autor: Christian Müller unterstützt als Kommunikationsberater Soziale Einrichtungen, Bildungsträger, Social Start-ups und KMU im B2B-Bereich bei der professionellen Nutzung digitaler Kommunikationskanäle. Auf seinem Zweitblog – lebenskarriere.com – teilt er sein als Coach gesammeltes Wissen rund um eine nachhaltige Karrieregestaltung.
Als ehemaliger Karrierebibel Autor hat er sich jahrelang mit Bewerbungsthemen befasst und spricht aus umfangreicher Erfahrung.

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